Entwicklung eines offenen GNSS-Empfängers für Multikonstellationen für die Ausbildung und Lehre

Olivier DESENFANS, M3 Systems

"Aufgrund der großen Palette anpassbarer Mittenfrequenzen (50 MHz bis 2,2 GHz) und ihrer Bandbreite (bis zu 20 MHz) bietet die Plattform NI USRP-2920 das perfekte Gleichgewicht zwischen Leistung, Flexibilität und Kosten für eine GNSS-Anwendung in Ausbildung und Lehre."

- Olivier DESENFANS, M3 Systems

Die Aufgabe:

Entwicklung eines vollständig konfigurierbaren GNSS-Empfängers (Global Navigation Satellite System) für Multikonstellationen zu Forschungs- und Bildungszwecken, sodass Anwender Zugriff auf den Kern von Signalverarbeitungsalgorithmen erhalten

Die Lösung:

Erstellung einer Command-and-Control-Anwendung basierend auf der Systemdesignsoftware NI LabVIEW, die ein softwaredefiniertes Funksystem – ein NI USRP-2920 – steuert und die Funktionen eines GNSS-Softwareempfängers verwaltet

Jahrzehntelang war GPS das einzige globale satellitengestützte Navigations- und Positionsbestimmungssystem. Ab 2011 konnte das russische Satellitennavigationssystem GLONASS weltweit genutzt werden. China und Europa setzen eigene satellitengestützte Positionsbestimmungssysteme (Compass bzw. Galileo) ein. Zwei weitere Galileo-Satelliten wurden am 12. Oktober 2012 ins All geschickt.

 

Multikonstellationen und Multifrequenzen für verbesserte Leistung

Aufgrund der wachsenden Zahl von Positionsbestimmungssystemen hat sich auch die Anzahl verfügbarer Satelliten sowie die Anzahl genutzter Frequenzen erhöht. Aus Sicht der Anwender bedeutet dies erhebliche Verbesserungen beim Genauigkeitsgrad und der Verfügbarkeit der Positionsbestimmung.

 

 

Neue technologische Herausforderungen

Die Verfügbarkeit dieser nebeneinander arbeitenden GNSS-Systeme bietet unübersehbare Leistungssteigerungen bei der Positionsbestimmung. Sie sorgt allerdings auch für neue technologische Herausforderungen, so etwa bei der Entwicklung von Hardwareempfänger (Multifrequenz, Frontend und Bandbreite) als auch bei den Algorithmen für die Signalverarbeitung (Empfang, Verfolgung usw.). Darüber hinaus sind GNSS-Systeme im Alltag inzwischen weiter verbreitet.


Verstehen und ausbilden

Angesichts dieser neuen Herausforderungen besteht in Europa hoher Bildungsbedarf in Bezug auf GNSS. Das veranlasste ENAC in Zusammenarbeit mit der Universität der Bundeswehr München, der Politecnico di Torino und anderen den Studiengang „Master of Science in GNSS“ einzurichten. Dieser Master wird über das G-Train-Projekt durch die Europäische Union unterstützt (Siebtes Rahmenprogramm, Nr. der Finanzhilfevereinbarung 248016). Daher beschlossen ENAC und M3 Systems, gemeinsam an der Entwicklung eines Werkzeugs für Studenten und Forscher zu arbeiten, sodass Anwender sich direkt mit den Details der GNSS-Verarbeitungsalgorithmen befassen können. Bei diesem Werkzeug handelt es sich um einen Softwareempfänger für Multikonstellationen und Multifrequenzen. Er ist vollständig kompatibel mit den meisten der vorhandenen GNSS-Systeme (und ihren jeweiligen Frequenzen) und bietet auch hinsichtlich der Parametrisierung der Algorithmen einen hohen Grad an Flexibilität. Im Vergleich zu den sonst üblichen Hardwareempfängern kann diese Software komplexe Algorithmen zur Signalverarbeitung implementieren und erlaubt dem Anwender vollständige Flexibilität.

 

 

 

 

Das RF-Frontend, Empfang und Verfolgung

Gewöhnlich bestehen Architekturen von GNSS-Empfängern aus drei Funktionsblöcken. Die entwickelte Lösung konzentriert sich auf die zwei Blöcke, die die Signalverarbeitung durchführen: das RF-Frontend sowie die Empfangs- und Verfolgungsfunktionen. Das RF-Frontend filtert und verstärkt das Hochfrequenzsignal. Anschließend wird das Signal in eine niedriege Frequenz umgewandelt und dann abgetastet. Die Empfangs- und Verfolgungsfunktionen übernehmen die Gewinnung der Phasen- und Entfernungsmessungen sowie die Demodulation der Navigationsnachrichten.

 

 

 

 

Ein softwaredefiniertes Funksystem mit NI USRP‐2920 als RF-Frontend

Aufgrund der großen Palette anpassbarer Mittenfrequenzen (50 MHz bis 2,2 GHz) und ihrer Bandbreite (bis zu 20 MHz) bietet die Plattform NI USRP-2920 das perfekte Gleichgewicht zwischen Leistung, Flexibilität und Kosten für eine GNSS-Anwendung in Ausbildung und Lehre. Nachdem die I/Q-Daten digitalisiert wurden, werden sie vom Softwareempfänger verarbeitet. Dieser offene Empfänger ist fast vollständig konfigurierbar. Das Werkzeug sorgt dafür, dass der Anwender während der gesamten Verarbeitung Zugriff auf die Daten hat. Diese Daten werden mithilfe einer in NI LabVIEW entwickelten HMI-Anwendung dargestellt, die die Systeme steuert, in denen Anwender ihre Parameter modifizieren können. Die Verwendung der Plattform NI USRP-2920 als Frontend für die GNSS-Signale ist mit zwei Einschränkungen verbunden. Zum einen ist die Leistung von GNSS-Signalen 45-mal geringer als die des thermischen Rauschens. Trotz der internen Verstärkung des NI USRP™ (bis zu 25 dB) und dem Einsatz einer aktiven Antenne (wie z. B. Ublox ANN-MS-0-005 mit einer Verstärkung von ca. 27 dB oder einer Septentrio PolaNt MC mit einer Verstärkung von 39 dB) ist die Erweiterung um einen Vorverstärker notwendig (in diese Fall ein ZX60-33LN-S+ mit 18 dB Verstärkung).

 

Zum anderen müssen die Frequenz- und Phasenstabilität des USRP-Takts mithilfe einer externen Referenz erhöht werden. Wir verwendeten eine Referenzzeit eines externen GPS-Systems, um die USRP-Plattform zu synchronisieren. Auch jeder beliebige hochwertige 10-MHz-Frequenzgenerator (z. B. ein Quarzoszillator der Bauform OCXO mit einer Temperaturbeständigkeit von etwa 0,005 ppm) kann verwendet werden.

 

Eine Lösung mit NI USRP, ORUS und LabVIEW

Der RF-Bestandteil beinhaltet eine aktive Antenne, einen Vorverstärker und die Software-Defined-Radio-Plattform NI USRP-2920, die mit einer externen Zeitreferenz synchronisiert wird. Der Empfangs- und Verfolgungsblock beruht auf einen vollständig konfigurierbaren Empfänger (ORUS, Open Receiver for Upgraded Services), der von M3 Systems entwickelt wurde. Eine mit LabVIEW entwickelte Command-and-Control-Anwendung steuert das gesamte System und zeigt die Prozessdaten an. Empfang und Verfolgung sowohl der GPS- als auch der Galileo-Signale konnten mit der entwickelten Lösung erfolgreich ausgeführt werden. Mithilfe der verfügbaren Daten können I- und Q-Korrelationsausgaben, Diskriminatorausgaben, Phase und Doppler analysiert werden.


Zukünftige FPGA-Implementierung

Im nächsten Schritt soll die Lösung um den Navigationsfunktionsblock ergänzt werden, sodass Position, Geschwindigkeit und Zeit verarbeitet werden können. Danach wird ein ähnliches System zur GNSS-Signalerzeugung für Multikonstellationen und Multifrequenzen mit NI USRP entwickelt, damit ein vollständiges offenes Sender/Empfänger-Werkzeug für Forschungs- und Bildungszwecke zur Verfügung steht. Als weiterer Schritt ist geplant, den Softwareempfänger in der Entwicklungsumgebung LabVIEW FPGA zu implementieren, um eine echtzeitfähige, offene GNSS-Lösung zu verwirklichen, die mit verschiedenen NI-Plattformen wie NI FlexRIO oder dem Vektorsignal-Transceiver verwendet werden kann.

 

 

Informationen zum Autor:

Olivier DESENFANS
M3 Systems
26, rue du Soleil Levant
31410 Lavernose
Tel: +33 (0)5 62 23 10 80
Fax: +33 (0)5 62 23 10 81
desenfans@m3systems.net

Abb. 1: Darstellung der Galileo-Konstellation
Abb. 2: GNSS-Frequenzspektrum über InsideGNSS (insidegnss.com/node/648)
Abb. 3: Typische Funktionsarchitektur von GNSS-Empfängern
Abb. 4: HMI, welche eine I/Q-Korrelationausgabe nach erfolgreichem Empfangs- und Verfolgungsprozess anzeigt
Abb. 5: Empfangs- und Verfolgungsdaten auf der GPS-Trägerfrequenz L1
Abb. 6: Empfangs- und Verfolgungsdaten auf der Trägerfrequenz E1 von Galileo