Flexible Sitzschaumprüfung mit DIAdem und EtherCAT

Dipl.-Ing. Holger Müller, a-solution GmbH, Geschäftsstelle Ost

"Dank des Prüfstands ist die Beurteilung neu entwickelter Sitzschaum-Materialien flexibler und – da alle Prüfungen mit einer Anlage durchgeführt werden können – kostengünstiger als mit den üblicherweise eingesetzten Prüfmaschinen möglich."

- Dipl.-Ing. Holger Müller, a-solution GmbH, Geschäftsstelle Ost

Die Aufgabe:

Entwicklung eines Sitzschaumprüfstands basierend auf Standard-Hard- und -Software, der flexibel an neue Prüfaufgaben angepasst werden kann

Die Lösung:

Signalerfassung und -ausgabe über den DIAdem-EtherCAT-Treiber von a-solution und Hardware mit EtherCAT-Schnittstelle sichern den Betrieb eines verteilten, Windows-basierten Systems in Echtzeit.

Autor(en):

Dipl.-Ing. Holger Müller - a-solution GmbH, Geschäftsstelle Ost

 

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2016 des Technologie- und Anwenderkongresses „Virtuelle Instrumente in der Praxis“ veröffentlicht.

 

Eingesetzte Produkte: DIAdem, EtherCAT


Kurzfassung

Immer höhere Kundenanforderungen an die Qualität von Kraftfahrzeugen haben einen wachsenden Testaufwand und neue Prüfverfahren in Entwicklung und Produktion zur Folge. Dies betrifft auch und insbesondere den Sitzkomfort und damit die in den Sitzen verbauten Schäume. Da markgängige Prüfsysteme oft nur einzelne Prüfmethoden beherrschen und – wenn überhaupt – nur mit großem Aufwand an wechselnde Prüfverfahren adaptierbar sind, hat die a-solution GmbH auf Kundenanforderung einen Sitzschaumprüfstand basierend auf Standard-Hard- und -Software entwickelt, der flexibel an neue Prüfaufgaben angepasst werden kann. Schlüsselkomponenten sind dabei die Applikationssoftware DIAdem und der schnelle Industrial-Ethernet-Standard EtherCAT.

 

Anpassungsfähig dank Standardsoftware

Autofahrer erwarten hohe Qualität und Lebensdauer aller Komponenten ihres Fahrzeugs. So ist es nur folgerichtig, dass durchgesessene Sitze auch bei hoher Laufleistung nicht mehr akzeptiert werden. Die Aufgabe besteht also darin, Sitze zu entwickeln, die einerseits sehr komfortabel sind und andererseits eine hohe Lebensdauer garantieren. Um die Dauerfestigkeit neuer Sitzschäume voraussagen zu können, wurden durch die Industrie Prüfnormen entwickelt, die es ermöglichen, die Belastungen eines ganzen Sitzlebens in vergleichsweise kurzer Zeit zu simulieren. Unter definierten klimatischen Bedingungen werden dabei Schaumteile über definierte Zeiträume – Tage oder Wochen – zyklisch be- und entlastet. Zu vorgegebenen Zeitpunkten erfolgt die Ermittlung von Kennwerten, die dann eine Aussage über das Lebensdauerverhalten des Prüflings erlauben.

 

Die am Markt verfügbaren Standardsysteme für Schaumstoffdauerprüfungen decken zwar die Anforderungen der bestehenden Normen weitgehend ab, sind jedoch häufig wenig flexibel hinsichtlich der Adaption an neue Prüfverfahren und -methoden. Deshalb entwickelte a-solution im Auftrag von Automobilherstellern und Zulieferern einen Sitzschaumprüfstand basierend auf Standardkomponenten, der die automatisierte Prüfung entsprechend verschiedener aktueller Normen ermöglicht, gleichzeitig aber auch mit geringem Aufwand an neue Prüfanforderungen angepasst werden kann (Bild 1).

 

Kernelemente sind die Standardsoftware NI DIAdem und der von a-solution entwickelte DIAdem-EtherCAT-Treiber, der eine Echtzeitanbindung unterschiedlicher Hardware mit EtherCAT-Schnittstelle an DIAdem herstellt. DIAdem übernimmt dabei sämtliche in der Applikation benötigten Softwarefunktionen, angefangen bei der Benutzerführung bei der Eingabe der Prüfparameter über Ablaufsteuerung, Messdatenerfassung und -ausgabe, Regelung der Eindruckkraft, Visualisierung und Datenspeicherung bis hin zur Reportgenerierung.

 

Die DIAdem-Applikation erlaubt die Definition der Prüfung als Abfolge von bis zu zehn Prüfschritten. Diese umfassen die Konditionierung, die Eindrückhärtezahl-Messung (EHZ-Messung), die Dauerschwingversuchprüfung (DSV-Prüfung) sowie eine Prüfung gemäß ISO3385.

 

Die Konditionierung ermöglicht die Einstellung parametrierbarer Klimabedingungen während der Prüfung. Dabei wird zuerst eine Solltemperatur in der Klimakammer eingestellt und nach deren Erreichen die vorgegebene Feuchte. Ist diese ebenfalls erreicht, beginnt eine Wartezeit, während derer die eingestellten Klimaparameter gehalten werden, um einen stabilen Zustand des Prüflings zu erreichen.

 

Die EHZ-Messung dient zur Ermittlung der Härte des Prüflings. Dabei wird der Prüfstempel dreimal mit einem maximalen Eindrückweg und anschließend einmal mit dem vorgegebenen Messeindrückweg in den Prüfling gepresst. Beim letzten Eindrücken erfolgt die Aufzeichnung des Kraft-Weg-Verlaufs. Die Eindrückvorgänge beginnen jeweils am Nullpunkt, der bei Anliegen einer definierten Vorkraft ermittelt worden ist.

 

Bei der DSV-Prüfung wird der Prüfling zyklisch kraftgeregelt belastet, indem der Prüfstempel entsprechend einer vorgegeben Anzahl von Lastwechseln mit einer definierten Sollkraft in den Prüfling eindrückt. Der Sollkraftverlauf ist sinusförmig, wobei Offset, Amplitude und Frequenz der Sollfunktion aus Vorgaben für Eindrückkraft und Belastungsfrequenz resultieren. Über eine vorgegebene Anzahl von Perioden werden Kraft, Weg, Klimakammertemperatur und -feuchte sowie Prüflingstemperatur erfasst.

 

Die ISO-3385-Prüfung beinhaltet eine zyklische weggeregelte Belastung des Prüflings mit kraftabhängiger Offsetkorrektur. Dabei wird der Prüfstempel mit einem definierten Sollweg in den Prüfling eingedrückt. Der Sollwegverlauf ist sinusförmig, wobei Amplitude und Frequenz der Sollfunktion aus Vorgaben für Eindrückweg und Belastungsfrequenz resultieren. Der Offset des sinusförmigen Kraftverlaufs wird dabei während der Prüfung nachgeregelt, sodass der Umkehrpunkt stets bei der parametrierten maximalen Eindrückkraft liegt. Die aktuelle Abweichung des Offsets zu dem Offset bei Beginn der Messung kann an der Anzeige „Wegdifferenz“ abgelesen werden. Die Datenerfassung entspricht der für die DSV-Prüfung beschriebenen.

 

Bis dahin unterscheidet sich der DIAdem-basierte Sitzschaumprüfstand nicht grundsätzlich von den marktüblichen Prüfmaschinen, auch wenn viele dieser Systeme jeweils nur einen der genannten Prüfschritte beherrschen. Ein wesentlicher Vorteil dieser auf Standardsoftware basierenden Lösung kommt aber dann zum Tragen, wenn es darum geht, neue Prüfvorschriften zu implementieren – sei es, weil sich die gesetzlichen Vorschriften ändern oder herstellerspezifische Prüfungen durchgeführt werden müssen. Die offen gestaltete DIAdem-Applikation kann dann in jeder Hinsicht modifiziert werden. Durch Anpassung der Messaufgabendefinitionen, der sogenannten DAC-Schaltpläne, über eine vergleichsweise einfache grafische Konfiguration können neue Prüfalgorithmen implementiert werden. Mittels Scriptprogrammierung in der einfach zu erlernenden Programmiersprache Visual Basic Script ist die Umsetzung neuer Auswerte- und Analysefunktionen möglich. Neue Anforderungen an die Gestaltung der Prüfberichte schließlich können grafisch-interaktiv im DIAdem-Report erfüllt werden.

 

Kernkomponente EtherCAT

Neben der Leistungsfähigkeit der Applikationssoftware an sich sind Hardware-Aufbau der Anlage und die Verbindung zwischen diesen entscheidend für die Funktionalität des Gesamtsystems. Das System wurde deshalb basierend auf dem schnellen Industrial-Ethernet-Standard EtherCAT konzipiert und alle zeitkritischen Hardware-Komponenten nach ihrer optimalen Anbindung an diesen Bus ausgewählt. Analoge und digitale Signale werden über ein EtherCAT-Slave-Chassis NI 9144 und die zugehörigen IO-Modulen der C-Serie erfasst und ausgegeben. Das Aufbringen definierter Kräfte auf die Prüflinge übernimmt ein Linearstellzylinder a-drive-Baureihe GSM. Mechanischer Prüfaufbau, Aktorik und Sensorik sind in eine Klimakammer Vötsch VC³ 4100 integriert, die – da hier keine Echtzeitanforderungen bestehen – über eine Ethernet-Schnittstelle an die Prüfstandssteuerung angebunden ist.

 

Die Schnittstelle zwischenusscan-Funktion wird die EtherCAT-Topologie automatisch erkannt. Die optimale Einbindung des Treibers in DIAdem erlaubt Datenerfassungsraten größer 20 kHz bei gleichzeitiger interruptgesteuerter Signalausgabe ebenfalls im Kilohertz-Bereich. Beim hier beschriebenen System genügt eine Abtastrate von 1 kHz für Erfassung und Ausgabe zur Erfüllung der Prüfaufgabe. Der Zugriff auf den Treiber erfolgt im einzelwertbasierten DIAdem-Software-Takt, sodass Steuerungs- und Regelungsaufgaben optimal umgesetzt werden können. Der dem Treiber zugrundeliegende EtherCAT-Master benutzt dabei handelsübliche Ethernet-Controller, was im konkreten Fall ermöglicht, die komplette Applikation auf einem Notebook-PC zu betreiben. Das Problem der Synchronisation unterschiedlicher Hardware entfällt, da die Daten aller Busteilnehmer in einem Telegramm übertragen werden. Verteilte Messstellen stellen ebenfalls kein Problem dar, da die Fast-Ethernet-Physik Abstände zwischen zwei Teilnehmern von bis zu 100 Metern erlaubt. Somit muss die Bedienung der Applikation nicht im oftmals beengten und lauten Prüfstandsumfeld erfolgen. Vielmehr kann diese in eine ruhige Büroumgebung verlagert werden, ohne dass sich hieraus ein negativer Einfluss auf Signalqualität oder Echtzeitverhalten ergibt.

 

Zusammenfassung

Mit dem Sitzschaumprüfstand hat a-solution den Kunden ein System zur Verfügung gestellt, das die flexible Lösung variierender Prüfaufgaben mittels Standard-Hard- und -Software-Komponenten ermöglicht. Signalerfassung und -ausgabe über den DIAdem-EtherCAT-Treiber von a-solution und Hardware mit EtherCAT-Schnittstelle sichern den Betrieb eines verteilten, Windows-basierten Systems in Echtzeit. Die offene Softwarestruktur basierend auf DIAdem ermöglicht dem Kunden die Anpassung des Systems an künftige Anforderungen. Dank des Prüfstands ist die Beurteilung neu entwickelter Sitzschaum-Materialien flexibler und – da alle Prüfungen mit einer Anlage durchgeführt werden können – kostengünstiger als mit den üblicherweise eingesetzten Prüfmaschinen möglich.

 

Informationen zum Autor:

Dipl.-Ing. Holger Müller
a-solution GmbH, Geschäftsstelle Ost
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Bild 1: Die Sitzschaumprüfung findet unter definierten Bedingungen in der Klimakammer statt. Alle Komponenten sind für den Betrieb in einer warmen und feuchten Umgebung ausgelegt.
Bild 2: Die in unterschiedlichen Prüfschritten aufgezeichneten Daten ermöglichen Vorhersagen über das Lebensdauerverhalten des Prüflings.