VirtualBench und LabVIEW zur Charakterisierung von Trennverstärkern

"Durch diverse Kalibriermodi, adaptives Averaging und die Verwendung des integrierten DMMs können ein hoher Dynamikbereich trotz kurzer Messzeiten erreicht und individuelle Messaufbauten optimal berücksichtigt werden."

- Olaf Biese, Entwicklung Technologie + Konzepte, Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG

Die Aufgabe:

Die für Klimatests erforderlichen umfangreichen messtechnischen Aufbauten stellen mitunter ein Platzproblem dar. Für eine effiziente Nutzung der für Klimamessungen reservierten Räume ist zudem ein schneller Auf- und Abbau von Messtechnik erforderlich.

Die Lösung:

Mit LabVIEW und VirtualBench als Hardware wurde ein extrem kompakter, automatischer Messplatz für Messumformer mit drei verschiedenen leistungsfähigen Messfunktionen im Frequenz- und Zeitbereich realisiert.

Autor(en):

Olaf Biese - Entwicklung Technologie + Konzepte, Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG
Jörg Giebson - Leiter Forschung und Entwicklung, Prokurist, Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG

 

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2016 des Technologie- und Anwenderkongresses „Virtuelle Instrumente in der Praxis“ veröffentlicht.

 

Eingesetzte Produkte: LabVIEW, VirtualBench

Kurzfassung

Mit VirtualBench und LabVIEW wurde ein kompaktes Messsystem zur automatischen Analyse des Amplituden- und Phasenfrequenzgangs, der Sprungantwort im Zeitbereich und des DC-Übertragungsverhaltens zur Charakterisierung hochwertiger Trennverstärker und Messumformer geschaffen. Durch diverse Kalibriermodi, adaptives Averaging und die Verwendung des integrierten DMMs können ein hoher Dynamikbereich trotz kurzer Messzeiten erreicht und individuelle Messaufbauten optimal berücksichtigt werden.

 

Einleitung

Die Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG ist international mit hochqualitativen und besonders zuverlässigen Produkten in den Bereichen Interface-Technik (Trennverstärker und Messumformer, Bild 1), Flüssigkeits-Analysemesstechnik (pH-Wert, gelöster Sauerstoff und Leitfähigkeit) sowie dazu passenden Sensoren und Armaturen seit vielen Jahrzehnten erfolgreich am Markt. Innovative Schaltungstechnik und intensive Designverifikationen unter rauen klimatischen Bedingungen sichern die hohe Qualität schon im Entwicklungsstadium. Die für Klimatests erforderlichen umfangreichen messtechnischen Aufbauten stellen mitunter ein Platzproblem dar. Für eine effiziente Nutzung der für Klimamessungen reservierten Räume ist zudem ein schneller Auf- und Abbau von Messtechnik erforderlich. Das kompakte VirtualBench ermöglicht eine gleichzeitige Mehrfachnutzung von Klimakammern mit Messobjekten, auch aus unterschiedlichen Entwicklungsprojekten und Seite an Seite mit deutlich aufwändigeren Messsystemen.

 

 

Aufbau des softwarebasierten Systems

Das hier vorgestellte System umfasst drei grundlegende Messfunktionen (Bild 2). Das Messobjekt „Messumformer/Trennverstärker“ wird im Folgenden mit DUT (Device Under Test) abgekürzt.

 

a) Messung der AC-Übertragungsfunktion: Hierzu werden auf den DUT-Eingang aufeinander folgend sinusförmige AC-Signale verschiedener Frequenz gegeben (Frequenz-Sweep) und die Amplitude und Phasenlage des Ausgangssignals des DUT in Relation zum Eingangssignal gemessen. Der Funktionsgenerator (FGEN) des VirtualBench erzeugt die sinusförmigen Signale, während die simultan abgetasteten analogen Eingänge Ch1 und Ch2 des im VirtualBench integrierten Mixed-Signal-Oszilloskops (MSO) das Eingangs- und Ausgangssignal des DUT erfassen.

 

b) Messung des Sprungantwortverhaltens (Antwortverhalten des Signalausgangs des DUT bei Anregung des DUT-Eingangs mit einem rechteckförmigen Sprungsignal): Hier wird die zeitliche Verzögerung des Antwortsignals gegenüber dem Eingangssignal bewertet, insbesondere die Zeiten T90 und T99 bis zum Erreichen von 90 % bzw. 99 % des stationären Endwerts. Zusätzlich werden Overshoot und Undershoot ermittelt. Der Funktionsgenerator (FGEN) erzeugt das rechteckförmige Sprungsignal; über die analogen MSO-Eingänge werden Ein- und Ausgangssignal des DUT erfasst.

 

c) Messung der DC-Übertragungsfunktion: Hierzu werden auf den DUT-Eingang aufeinander folgende DC-Signale verschiedener Amplituden durch den FGEN gegeben (Amplitud.-Sweep) und die Ausgangsamplituden des DUT durch das DMM ermittelt.

 

Besonderheiten des Messsystems: Autoranging

Bei der Messung a) der AC-Übertragungsfunktion, abhängig von den Übertragungseigenschaften und bei steigender Eingangssignalfrequenz, entstehen kontinuierlich abnehmende Amplituden am Signalausgang des DUT. Aus diesem Grund wurde in der LabVIEW-Applikation ein eigenes Autoranging-Modul für das MSO implementiert, das eine Anpassung der Eingangsempfindlichkeit (Verstärkung) des DUT-Kanals Ch2 des MSO durch jeweils eine Vormessung durchführt. Damit ist sichergestellt, dass immer mit optimaler Eingangsempfindlichkeit gearbeitet wird.

 

Adaptives Averaging (Mittelung der Abtastwertfolgen)

Ebenfalls bei Messung a) lässt sich der nutzbare Dynamikbereich des MSO deutlich erhöhen, wenn der arithmetische Mittelwert aus mehreren kompletten Abtastwertfolgen gebildet wird. Signalanteile, die nicht mit der Eingangssignalfrequenz korreliert sind, werden durch die Mittelung gedämpft. Zu solchen nicht-korrelierten Signalanteilen zählen insbesondere Rauschanteile. Theoretisch gilt, dass mit jeder Verdoppelung der Anzahl der in der Mittelung verwendeten Abtastwertfolgen der erzielbare Signal-Rausch-Abstand um 3 dB vergrößert wird. Große Averaging-Faktoren führen jedoch zu langen Messzeiten. Daher wird der Averaging-Faktor adaptiv nachgeführt. Der bei der jeweiligen Messfrequenz erzielte Signal-Rausch-Abstand wird ermittelt, mit einer Sollwertvorgabe verglichen und daraus der theoretisch erforderliche Averaging-Faktor errechnet. Dadurch wird vor allem bei kleinen Signalpegeln am DUT-Messkanal Ch2 ein guter Signal-Rausch-Abstand erzielt.

 

Bild 4 veranschaulicht das Wiederverwendungskonzept: Durch „Drag-and-drop“ von Templates kann zum Beispiel für ein Multimeter eine Strommessung unter verschiedenen Bedingungen erreicht werden. Damit könnte die Messung sofort durchgeführt werden. Die Dokumentation der Testsequenz ist leicht ersichtlich, aufgrund des What-you-see-is-what-you-get-Prinzips von TestStand.

 

Kalibrierung

Eine weitere Verbesserung der Messeigenschaften des Systems wird durch verschiedene Kalibriertechniken erreicht. Die hier realisierten Kalibrier-funktionen verwenden ausschließlich die im VirtualBench integrierten Messgeräte (Bild 3).

 

Thru- und Isolation-Kalbrierung des Messmodus a) für die AC-Übertragungsfunktion

Es sollen amplituden- und phasenverändernde Einflüsse des Messaufbaus und außerdem eventuell vorhandenes parasitäres Übersprechen zwischen den beiden Messkanälen erfasst und kompensiert werden. Dazu wird, gemäß Bild 3, am Testport des Testadapters statt eines DUT ein „Thru-Normal“ eingesetzt. Dies kann eine kurze direkte Verbindung zwischen Signalausgang und Signaleingang des Testports sein, gegebenenfalls kann auch noch die Eingangsimpedanz des DUT berücksichtigt sein. Das außerdem zu verwendende „Isolation-Normal“ enthält eine erste Abschlussimpedanz für den Signalausgang des Testports, die möglichst nahe an der Eingangsimpedanz des DUT liegt sowie eine zweite Abschlussimpedanz, die idealerweise mit der Ausgangsimpedanz des DUT übereinstimmt. Das eigene Übersprechen innerhalb des „Isolation-Normal“ muss vernachlässigbar sein. Mit den jeweils angeschlossenen Normalen werden dann Messungen der Übertragungsfunktion bei genau den Frequenzen durchgeführt, die später für die Messung des DUT verwendet werden. Die gemessenen frequenzabhängigen Amplituden und Phasenwerte (Kalibrierwerte) für die beiden Normale werden als Dateien abgelegt. Bei der Messung der Übertragungsfunktion des DUT werden diese Kalibrierwerte dann mit den Messwerten des DUT verrechnet und so der Einfluss des Messaufbaus verkleinert.

 

Kalibrierung des Messmodus c) für die DC-Übertragungsfunktion

Bei dieser Kalibrierung wird ebenfalls das Thru-Normal eingesetzt, wobei hier das parallel zum MSO-Analogkanal Ch2 angeschlossene DMM ausgewertet wird. Der Funktionsgenerator FGEN erzeugt eine Abfolge von DC-Signalen für genau die verschiedenen Amplitudenvorgaben, die später auch für die Messung des DUT verwendet werden. Bei der späteren Messung des DUT ist keine Messung des DC-Pegels am DUT erforderlich. Das setzt voraus, dass die Kalibrierwerte auch später noch zutreffen, was von einer ausreichenden Stabilität des FGEN abhängt. In der Praxis ist dies nach der allgemein üblichen Anwärmzeit von 30 Minuten gegeben.

 

Zusammenfassung

Mit LabVIEW und VirtualBench als Hardware wurde ein extrem kompakter, automatischer Messplatz für Messumformer mit drei verschiedenen leistungsfähigen Messfunktionen im Frequenz- und Zeitbereich realisiert, der ohne aufwändige Messstellenumschaltung auskommt. Sollen komplexere Messaufbauten geprüft werden, lässt sich die ebenfalls im VirtualBench vorhandene aber hier noch nicht genutzte Funktionseinheit „Digital IO“ als Steuereinheit für Messstellenumschalter verwenden.

 

Informationen zum Autor:

Olaf Biese
Entwicklung Technologie + Konzepte, Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG
Beuckestr. 22
Berlin 14163
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Fax: +49 (0)30 80191-300
biese@knick.de

Bild 1: Messumformer der Reihe P 50000 für Bahnanwendungen
Bild 2: Struktur des Messsystems aus Software und Hardware
Bild 3: Messsystemkomponenten, Signalwege, Normale und Testobjekte