Offene Testlösungen für RF-Elektroniken und vernetzte Fahrzeuge mit Schwerpunkt Car2X-/802.11p-Kommunikation

Dr. Gerd Schmitz, S. E. A. Datentechnik GmbH

"Ein typischer Anwendungsfall ist der Test der Funktion von Onboard Units (OBU) in automatisierten Testsystemen."

- Dr. Gerd Schmitz, S. E. A. Datentechnik GmbH

Die Aufgabe:

Für die Entwicklung von Steuergeräten ergeben sich zukünftige komplexere Testanforderungen und Simulationsszenarien. Aufgrund der Sicherheitsrelevanz und der Komplexität dieser Systeme benötigen sowohl Automobilhersteller und Zulieferer als auch Applikationsentwickler, Sicherheitsorgane und unabhängige Prüfzentren wie TÜV und DEKRA flexible und zuverlässige Testlösungen. Präzise Synchronisierung der simulierten Signale spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Abhängig vom Prüffall, findet HIL-Simulation in Echtzeit Anwendung.

Die Lösung:

Basierend auf den NI-Softwareplattformen hat S. E. A. eine modulare Testlösung entwickelt, die durch Konfiguration an die unterschiedlichsten Anforderungen angepasst werden kann und den Test von V2V oder V2I unter den unterschiedlichsten Aspekten erlaubt.

Autor(en):

Dr. Gerd Schmitz - S. E. A. Datentechnik GmbH
Dipl.-Ing. (FH) Axel Meinen - S. E. A. Datentechnik GmbH

 

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2016 des Technologie- und Anwenderkongresses „Virtuelle Instrumente in der Praxis“ veröffentlicht.

 

Eingesetzte Produkte: LabVIEW, NI VST, NI USRP, CompactRIO

Die Abbildungen der Kundenlösung finden Sie in der Galerie und im Fließtext. In der Galerie können Sie die Bilder in größerer Auflösung ansehen.


Kurzfassung

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Produkte und Lösungen der S. E. A. GmbH für die erforderlichen Test- und Validierungsprüfungen von Car2X-, V2X- und Connected-Car-Komponenten/-Systemen auf Basis von LabVIEW- und Hardware-Plattformen. Das umfassende Spektrum der Anwendungen reicht von RF-Compliance-Prüfungen über Konformitätsprüfung von Komponenten bis hin zum vollständigen HIL-Systemtest auf Signaling Level.

 

Einleitung

Weltweit arbeiten Automobilhersteller, Zulieferbetriebe und Forschungsinstitute an zukünftigen Lösungen für das automatisierte Fahren. Eine Vielzahl von Innovationen und technologischen Entwicklungen bei den Fahrerassistenzsystemen und der Fahrzeugautomatisierung ermöglicht voraussichtlich in den nächsten zwei bis fünf Jahren den Übergang vom experimentellen Fahrversuch hin zur Serienreife in Fahrzeugen und der notwendigen Verkehrsinfrastruktur. Eine der Schlüsselkomponenten zur Verwirklichung ist die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander (V2V, Vehicle-to-Vehicle) und mit der Umgebung (V2I, Vehicle-to-Infrastructure).

 

V2X-Kommunikation

Die Architektur für die zukünftige Vernetzung der Fahrzeuge und der Verkehrsinfrastruktur zum sogenannten Intelligent Transport System (ITS) ist für Europa im Standard EN 302 665 definiert. Er beschreibt den prinzipiellen Aufbau des Kommunikationsnetzes und die möglichen zum Einsatz kommenden Technologien.

 

Für die V2X-Kommunikation wird auf der physikalischen Ebene, dem sogenannten Access Layer, der WLAN-Standard IEEE 802.11p eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Erweiterung des bekannten 802.11a-WLAN-Standards, der u. a. den schnellen Informationsaustausch durch die Bildung eines Ad-Hoc-Netzes ermöglicht. Die Funkkommunikation erfolgt dabei im für die V2X-Kommunikation zugewiesenen Frequenzbereich 5,855 GHz bis 5,925 GHz und ist in der Lage, Daten innerhalb von Millisekunden zuverlässig und über kurze bis mittlere Distanzen (< 500 m) zu übertragen.

 

Für die höheren Protokollschichten ist ein eigener V2X-Protokollstack spezifiziert, in dem u. a. die Applikationstypen, die Nachrichtentypen und Sicherheitsmechanismen definiert sind. Aufgrund der Sicherheitsrelevanz und der Komplexität dieser Systeme benötigen sowohl Automobilhersteller und Zulieferer als auch Applikationsentwickler, Sicherheitsorgane und unabhängige Prüfzentren wie TÜV und DEKRA flexible und zuverlässige Testlösungen für die Entwicklung, Validierung und Prüfung von Komponenten, Systemen und Applikationen.

 

802.11p-Protokoll-Testing

Besonders im Bereich der Forschung und Entwicklung ist es notwendig, neben physikalischen Konformitätstests auch das Verhalten unter Grenzbedingungen, die Störfestigkeit (z. B. bei fehlerbehafteter Kommunikation) sowie das zeitlich-deterministische Verhalten zu untersuchen. Dafür wird eine offene Plattform benötigt, die Entwicklern erlaubt, in beliebigen Ebenen des Kommunikationsprotokolls auf die Signale und Daten zuzugreifen, sie zu analysieren und gegebenenfalls auch manipulieren zu können (Bild 1).

 

 

Da kommerziell verfügbare 802.11p-Systeme in der Regel keinen Eingriff in den Protokollstack bzw. in die interne Logik des Chips ermöglichen, hat S. E. A. einen erweiterten 802.11p-Protokollstack (PHY und MAC), basierend auf der NI-Hardware als Add-on-Toolkit für LabVIEW, entwickelt. Neben der üblichen standardkonformen Kommunikation bietet der S. E. A.-802.11p-Protokollstack einzigartige Erweiterungen zum Test von V2X-Hardware-Komponenten. Der überwiegende Teil des Protokollstacks ist als FPGA-Code implementiert, der auf Basis der Software-Defined Radios (SDR) NI USRP und des NI VST eine Signal- und Datenprozessierung in Echtzeit mit synchronisierbaren Zeit- und Taktreferenzen (z. B. über PPS) bietet. Damit ermöglicht er eine Vielzahl unterschiedlicher Testszenarien, angefangen von einfachen Kommunikationstests über Load-Tests bis hin zur Manipulation einzelner Bits innerhalb von Datenpaketen zur Untersuchung der Störfestigkeit und des Timing-Verhaltens (Bild 2).

 

Das System verarbeitet die über die API an den MAC Layer gesendeten Rohdaten (inkl. MAC Header, FCS etc.) und versieht diese mit exakten Zeitstempeln. Das Versenden der Datenpakete über Funk an den Prüfling (Device Under Test – DUT) erfolgt dabei zu exakt definierten Zeitpunkten. Dies ermöglicht eine exzellente Synchronisierung mit anderen Signalen innerhalb der Testumgebung, wie z. B. GPS-Position, Sensoren (RADAR, LIDAR), Fahrzeugdaten (CAN-Bus-Informationen) oder Daten eines Replay-Systems. Zu versendende Daten können zuvor noch bitweise verändert und manipuliert werden, sodass das Verhalten der zu prüfenden Komponente oder Applikation untersucht werden kann. Vom DUT empfangene Datenpakete werden ebenfalls mit einem exakten Zeitstempel versehen und über die LabVIEW-API an die übergeordnete Applikation übergeben. Als Option kann der empfangene Datenstrom im TZSP-Format (TaZmen Sniffer Protocol – TZSP) für die weitere Datenverarbeitung und -analyse mit Standard-Tools aufgezeichnet werden.

 

Der S. E. A.-802.11p-Protokollstack wird über den S. E. A. Host Configuration Manager (HCM) verwaltet und konfiguriert, der auf einem MS-Windows-PC betrieben wird (Bild 3). Ein typischer Anwendungsfall ist der Test der Funktion von Onboard Units (OBU) in automatisierten Testsystemen. Durch Erweiterung des S. E. A.-802.11p-Protokollstacks um einen V2X-Protokollstack lässt sich das Add-on zum Test von Software-Applikationen auf OBUs einsetzen.

 

Als Hardware-Plattform kommt aktuell die NI-USRP-Familie zum Einsatz. Sie wird im vierten Quartal 2016 um die NI-VST-Familie (Vector Signal Transceiver) ergänzt, sodass auch u. a. kombinierte HF-Conformance-Tests möglich sind. Des Weiteren ist bis Ende des Jahres ein 802.11p-Kommunikationsmodul für die Plattform CompactRIO geplant. Zur umfangreichen Verwaltung, Analyse und Visualisierung der geolokalisierten Mess- und Testdaten steht die mächtige SpaceMasterGEO-Telemetriedatenbank-Software mit integriertem Offline-Kartenserver zur Verfügung. Damit ist gewährleistet, dass für alle Anforderungen und Ansprüche mithilfe der unterschiedlichen Plattformen eine optimale Lösung zur Verfügung steht (Bild 4).

 

 

Integrierte V2X-Testumgebung

Für die Entwicklung von Steuergeräten ergeben sich zukünftige komplexere Testanforderungen und Simulationsszenarien. Neben der Car2X-Kommunikation mittels V2X-Stack und der Schnittstelle zum Fahrzeug (CAN, Ethernet BRR) ist auch die Einbeziehung von RF-GNSS-Signalen, weiteren Sensoriken (z. B. RADAR, LIDAR) sowie die Simulation der RF-Ausbreitung erforderlich. Präzise Synchronisierung der simulierten Signale spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Abhängig vom Prüffall, findet HIL-Simulation in Echtzeit Anwendung (Bild 5).

 

Basierend auf den NI-Softwareplattformen hat S. E. A. eine modulare Testlösung entwickelt, die durch Konfiguration an die unterschiedlichsten Anforderungen angepasst werden kann und den Test von V2V oder V2I unter den unterschiedlichsten Aspekten erlaubt. Schnittstellen zur Umsetzung von normkonformen Testszenarien sind in Vorbereitung. Auf Basis der vorhandenen Kernkomponenten, der Flexibilität des PXI-Hardware-Konzepts und in enger Zusammenarbeit mit Partnern der unterschiedlichen Fachgebiete (z. B. M3-Systems für GNSS/GPS-Simulation) stellt S. E. A. ein integriertes, für den Benutzer homogenes und übersichtlich zu bedienendes Testwerkzeug für die unterschiedlichsten Einsatzfälle bereit. Die Anwendungen reichen von der Entwicklung über Simulation, Validierung und Verifikation bis hin zur Produktion. Durch die definierten Schnittstellen und Offenheit der Architektur kann die Hardware und Software an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Einsatzfälle unkompliziert angepasst werden. Hierzu steht S. E. A. mit seiner Dienstleistungs- und Fachkompetenz als bewährter Dienstleistungspartner zur Verfügung.

 

Informationen zum Autor:

Dr. Gerd Schmitz
S. E. A. Datentechnik GmbH
Troisdorf 53840
Germany
Tel: +49 (0)2241 12737-0
Fax: +49 (0) 2241 12737-13
gerd.schmitz@sea-gmbh.com

Bild 1: Validierung von V2X-Komponenten und -Applikationen
Bild 3: Host Configuration Manager des S.E.A. 802.11p-LabVIEW-Toolkits
Bild 4: S. E. A-9719-802.11p-CompactRIO-Modul und -SpaceMaster-GEO
Bild 5: Integrierte Testumgebung für Automotive-Steuergeräte
Bild 2: Architektur des S. E. A.-802.11p-Protokollstacks