Fertigungsendtest für MEMS-Mikrofone

"Mikroelektromechanische Systeme werden heutzutage überwiegend als Sensoren in Mobiltelefonen eingesetzt."

- Prof. Dr. Gregor Feiertag, Hochschule für Angewandte Wissenschaften München

The Challenge:

Im Bereich der Akustik zählen MEMS-Mikrofone wegen ihrer sehr kleinen Bauform und ihrer guten elektroakustischen Eigenschaften schon seit Längerem zum Stand der Technik. Um die fortschreitende Miniaturisierung solcher Mikrofone zu realisieren, werden Fertigungsverfahren mit Genauigkeiten im Sub-Mikrometer-Bereich benötigt.

The Solution:

Eine Durchsatz- und Ausbeutesteigerung des Fertigungsendtestes kann zum einen durch die nachträgliche Programmierung von MEMS-Mikrofonen erreicht werden und zum anderen durch eine Reduzierung der Gesamtmesszeit bei gleichbleibender Messgenauigkeit. Zweites hängt mit der jeweiligen Datensatzlänge und der Optimierung der einzelnen Messungen zusammen.

Author(s):

Prof. Dr. Gregor Feiertag - Hochschule für Angewandte Wissenschaften München
M. Sc. Sebastian Walser - Hochschule für Angewandte Wissenschaften München
B. Eng. Michael Loibl - Hochschule für Angewandte Wissenschaften München
Dr. Christian Siegel - EPCOS AG, ein Unternehmen der TDK Group
Dr. Matthias Winter - EPCOS AG, ein Unternehmen der TDK Group

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2015 des Technologie- und Anwenderkongresses „Virtuelle Instrumente in der Praxis“ veröffentlicht.

Eingesetzte Produkte: grafische Programmierumgebung NI LabVIEW, NI DIAdem, DataFinder Server Edition, NI-PXI-Komponenten (Switches, MIO, SMU, DMM, Motion)

Die Abbildungen der Kundenlösung finden Sie in der Galerie und im Fließtext. In der Galerie können Sie die Bilder in größerer Auflösung ansehen.

 

 

Kurzfassung

Dieser Beitrag behandelt die Optimierung eines Fertigungsendtests für mikroelektromechanische Mikrofone. Für die Durchsatz- bzw. Ausbeutesteigerung des Endtestes wird ein bei der EPCOS AG bestehender automatischer Tester durch eine modulare PXI-Messeinheit erweitert. Die Reduzierung der mit GPIB-Kommunikationen verketteten Messungen, kürzere Einzelmesszeiten sowie die parallel zur Messung ablaufende Datenauswertung reduzierten die Messzeit gegenüber dem bisherigen System um bis zu 50 %.

 

Einleitung

Mikroelektromechanische Systeme (MEMS) werden heutzutage überwiegend als Sensoren in Mobiltelefonen eingesetzt. Im Bereich der Akustik zählen MEMS-Mikrofone wegen ihrer sehr kleinen Bauform und ihrer guten elektroakustischen Eigenschaften schon seit Längerem zum Stand der Technik. MEMS-Mikrofone bestehen aus zwei, in einem Gehäuse integrierten Chips, einem elektroakustischen Wandler (MEMS-Chip) und einem Application-Specific Integrated Circuit (ASIC) Chip. Der MEMS-Chip basiert dabei auf dem Prinzip eines kapazitiven, elektroakustischen Wandlers mit einer beweglichen Membran und einer festen Gegenelektrode. Bild 1 zeigt den Aufbau eines solchen Mikrofons exemplarisch anhand eines auf der Flip-Chip-Technologie basierenden neuen MEMS-Mikrofon-Typs (3,35 mm × 2,5 mm × 1,0 mm) der EPCOS AG.

 

Um die fortschreitende Miniaturisierung solcher Mikrofone zu realisieren, werden Fertigungsverfahren mit Genauigkeiten im Sub-Mikrometer-Bereich benötigt. Prozessbedingte Schwankungen, zum Beispiel Fertigungstoleranzen im Frontend-Prozess, haben Streuungen der elektroakustischen Mikrofonparameter zur Folge. Um diese prozessbedingten Schwankungen und fehlerhafte Bauteile vor deren Auslieferung an Kunden auszusortieren, durchlaufen die MEMS-Mikrofone einen Fertigungsendtest. Ziel der Arbeit war die Erhöhung des Durchsatzes und der Ausbeute des Mikrofon-Endtests bei der EPCOS AG.

 

 

Durchsatz- und Ausbeutesteigerung des Fertigungsendtestes

Um den Durchsatz des Endtestes zu steigern und die Fertigungskosten zu senken, soll die Gesamtmesszeit bei gleichbleibender Messgenauigkeit reduziert werden. Die Messzeit kann durch die Reduzierung der GPIB-Kommunikation zwischen den einzelnen Messgeräten und der Steuereinheit reduziert werden. Eine weitere Reduzierung der Messzeit erreicht man durch eine zur Audiomessung parallel ablaufenden Verarbeitung der aufgenommenen Messpunkte. Bild 2 veranschaulicht beide Vorgehensweisen anhand des alten und neuen Endtestprinzips.

 

Das bisherige Endtestprinzip basiert auf einer datensatzgesteuerten Master-Slave-Device-Under-Test-(DUT)-Lösung. Ein Steuerrechner verteilt die Messbefehle einzeln über GPIB an die jeweiligen Messgeräte und erhält von diesen nach der Messung über GPIB die Ergebisse zurück. Pro Messbefehl wird hierfür eine Kommunikationszeit von ca. 30 ms beansprucht. Bei einer insgesamten Abfolge von ca. 20 Messbefehlen bedeutet dies einen Verlust durch Kommunikationszeit von ca. 600 ms. Im neuen Endtestprinzip fällt durch die Einbindung einer modularen PXI-Messeinheit diese Kommunikationszeit weitgehend weg. Dies bedeutet eine Testzeitreduzierung von bis zu 600 ms pro Mikrofon. Der Steuerrechner sendet hierfür eine alle Messbefehle enthaltene Sequenz an die Messeinheit. Eine weitere Zeitersparnis erreicht man durch die parallel zur Messung laufende Auswertung der Messdaten. Die Auswertung der Messergebnisse erfolgt verzögert zum Start der ersten Messung. Somit ergibt sich eine Gesamtzeit von tGesamt = tMessung + tVerzögerung. Nach der kompletten Endtestmessung sendet die Messeinheit einen Endergebnisvektor über GPIB an die Steuereinheit zurück.

 

 

Hardware-Lösung

Basierend auf dem bisherigen Automated Test Equipment (ATE) der EPCOS AG wird das Setup im Hinblick auf die Testzeitreduzierung weiterentwickelt. Das Zusammenspiel der einzelnen Einheiten innerhalb des ATE wird in Bild 3 dargestellt.

 

Um Kompatibilität zu den bisherigen Mikrofontests zu gewährleisten, wurde die Steuerung der einzelnen ATE-Komponenten über einen Master-PC beibehalten. Die Testabfolge wird anhand eines Datensatzes festgelegt und die Steuerung der Messeinheit erfolgt über GPIB. Das bei der EPCOS AG eingesetzte Testprinzip basiert auf dem Prinzip einer Druckkammermessung. Hierfür werden im Handling-System die auf einem Fertigungspanel aufgebrachten MEMS-Mikrofone über einen Testkopf mit integriertem Lautsprecher und Referenzmikrofon akustisch und elektrisch kontaktiert. Die Abdichtung zwischen Druckkammer und Mikrofon wird durch einen Silikondichtring gewährleistet.

 

 

Für die Umsetzung eines zeitoptimierten Fertigungsendtests wurde als Messeinheit ein PXI-System der Firma National Instruments gewählt. Dieses ermöglicht neben einem 24/7-Testbetrieb eine modulare kompakte messtechnische Endlösung mit einer eigenen Steuereinheit und GPIB-Schnittstelle. Die elektrische Ansteuerung des Lautsprechers, die Spannungsversorgung des DUT sowie die elektroakustische Auswertung des Referenz- und MEMS-Mikrofons werden über einen Dynamiksignalgenerator mit zwei Eingängen und zwei Ausgängen (NI PXI-4461) realisiert. Die Stromaufnahmemessung des DUT erfolgt über ein Digitalmultimeter (NI PXI-4070).

 

Des Weiteren können durch eine nachträgliche Einstellung bzw. Umprogrammierung einzelner Mikrofonparameter die fertigungsbedingten Sensitivitätsschwankungen der Mikrofone reduziert werden. Dies erlaubt eine geringere Streuung der Mikrofonparameter und damit eine Erhöhung der Endtestausbeute. Die Umsetzung der Programierung soll ebenfalls in das Endtest-Set-up integriert werden. Hierfür werden ein Digitalsignalgenerator (NI PXI-6552), zuständig für die Daten und das Clock-Signal, und eine Source Measure Unit (NI PXI-4132), zuständig für die Bereitstellung der Programmierspannung, verwendet.

 

Um sowohl die Programmierung als auch die Audiomessung unabhängig voneinander in den Testablauf zu integrieren, wird ein Matrix-Schaltmodul (NI PXIe-2532B) verwendet. Um eine einfache Handhabung und die Robustheit des Messystems im Testbetrieb zu gewährleisten, wurde für die Schaltmatrix ein Anschlussblock entwickelt (Bild 4).

 

 

Software-Lösung

Die Messeinheit wird durch eine in LabVIEW umgesetzte Zustandsmaschine gesteuert. Die parallele Verarbeitung der Messdaten erfolgt durch eine zweite Zustandsmaschine. Das Datenhandling zwischen den beiden Schleifen erfolgt über eine Queue-Struktur. Bild 5 veranschaulicht den prinzipiellen Ablauf des Messprogrammes.

 

Die Zuweisung der einzelnen Messbefehle in die beiden Hauptstrukturen Programiermodus und Messmodus erfolgt über die im GPIB-Vektor übergebenen Daten. Die Schaltmatrix wird dementsprechend geschaltet. Beide Strukturen bilden ein eigenständiges Unterprogramm innerhalb des Hauptprogrammes. Die einzelnen Parameter werden über einen Cluster übergeben. Das Unterprogramm Mess-Modus verfügt zusätzlich über eine parallele Zustandsmaschine zur Auswertung der Messdaten. Die Auswertung der Messdaten beginnt mit einer kleinen Verzögerung nach dem Start der Messung. Dadurch resultiert die gesamte Mess-Modus-Zeit aus Messzeit und Verzögerungszeit.

 

 

Messergebnisse

Neben der Minimierung der GPIB-Kommunikation auf zwei Einheiten pro Bauteil ergibt sich durch die PXI-Messeinheit ein weiterer Vorteil. Durch die eigenständige Steuerung der Messung und Auswertung kann innerhalb einer Messkette die Messzeit der einzelnen Messungen bei gleichbleibender Messgenauigkeit optimiert werden. Bild 6 veranschaulicht dieses Prinzip im Detail.

 

 

Bei der dargestellten exemplarischen Messkette, bestehend aus Sensitivität, Total Harmonic Distortion (THD), Power Supply Rejection Ratio (PSRR) und Noise, ergibt sich die Möglichkeit, explizit auf die eizelnen Messzeiten Einfluss zu nehmen. So benötigt man zum Beispiel für eine Sensitivitätsmessung bei 1 kHz/Pa für das Erreichen einer Messgenauigkeit von ca. ±0,05 dBV eine Messzeitlänge von 20 Perioden (= 20 ms). In der Periodenanzahl wurde das Einschwingen des Lautsprechers bereits mit berücksichtigt. Bild 7 zeigt eine vollständige Messung beider Varianten im Vergleich.

 

Wie in der Aufnahme ersichtlich, lässt sich eine Messzeitersparnis von bis zu 50 % erzielen. Wobei die Länge der Messzeit von der jeweiligen Größe des Datensatzes (GPIB-Ersparnis) und der Optimierung der Einzelmessungen (Messaufnahmelänge) beeinflusst wird.

 

Zusammenfassung

Eine Durchsatz- und Ausbeutesteigerung des Fertigungsendtestes kann zum einen durch die nachträgliche Programmierung von MEMS-Mikrofonen erreicht werden und zum anderen durch eine Reduzierung der Gesamtmesszeit bei gleichbleibender Messgenauigkeit. Zweites hängt mit der jeweiligen Datensatzlänge (GPIB-Ersparnis) und der Optimierung der einzelnen Messungen (Messaufnahmelänge) zusammen. Eine parallel zur Messaufnahme laufende Auswertung ermöglicht eine weitere Messzeitoptimierung.

 

Author Information:

Prof. Dr. Gregor Feiertag
Hochschule für Angewandte Wissenschaften München
Lothstrasse 64
München 80335
Germany
Tel: +49 89 1265 3463
gregor.feiertag@hm.edu

Bild 1: Exemplarischer MEMS-Mikrofon-Aufbau
Bild 2: Prinzipskizze altes und neues Endtestprinzip
Bild 3: Prinzipskizze Automated Test Equipment
Bild 4: Schaltmatrix mit Anschlussblock
Bild 5: Prinzipskizze Messablauf
Bild 6: Exemplarische Messsequenz
Bild 7: Messzeitersparnis