Montageendprüfstand für Antriebssysteme mit NI LabVIEW

Dipl.-Ing. (FH) Jochen Weber, ProNES Automation GmbH

"Die ProNES Automation GmbH konzepiert und realisiert einen Prüfstand für Antriebssysteme mit einer standardisierten Datenschnittstelle zwischen NI LabVIEW und einer SAP-Datenbank."

- Dipl.-Ing. (FH) Jochen Weber, ProNES Automation GmbH

The Challenge:

Weitestgehend automatisierte Prüfung von Antriebssystem-Komponenten aufgrund gestiegenen Anforderungen an die Messdatenerfassung und Anbindung über eine Schnittstelle an das zentrale Datenmanagementsystem

The Solution:

Entwicklung einer bei SEW EURODRIVE standardisierten Datenschnittstelle von NI LabVIEW zur SAP-Datenbank durch Nutzung des XML Toolkit

Author(s):

Dipl.-Ing. (FH) Jochen Weber - ProNES Automation GmbH

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2012 des Technologie- und Anwenderkongress "Virtuelle Instrumente in der Praxis" veröffentlicht.

Eingesetzte Produkte: grafische Programmierumgebung NI LabVIEWNI LabVIEW Run-Time Engine, NI Variable Engine 2.3.0, NI-RIO 3.3NI LabVIEW Database Connectivity ToolkitNI LabVIEW Internet ToolkitNI LabVIEW Real-TimeEasyXML Toolkit for NI LabVIEW - JKINI cRIO-9073NI 9402NI 9425NI 9476


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Kurzfassung

Antriebssysteme, z. B. in Förderanlagen, gibt es in allen automatisierten Betrieben. Wenn diese ausfallen, stehen nicht nur die Bänder, sondern meist die ganze Produktion still. Deshalb ist es wichtig, zuverlässige Systeme mit langer Lebensdauer zu integrieren und damit eine hohe Anlagenverfügbarkeit zu erzielen.

 

Der Hersteller eines solchen mechatronischen Systems – bei welchem Motor, Getriebe und Elektronik in einem Gehäuse vereint sind – wollte die Prüfung der Komponenten aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Messdatenerfassung weitestgehend automatisieren und über eine Schnittstelle an das zentrale Datenmanagementsystem anbinden. Die Aufgabe der ProNES Automation GmbH, Systementwickler für automatisierte Prüfsysteme, war es, neben der Konzeption und dem Aufbau eines entsprechenden Prüfstands auch die End-of-Line-Prüfung der Antriebssysteme zu realisieren, die bedienergeführten Prüfabläufe umzusetzen und alle Prüfschritte zu überwachen und zu dokumentieren.

 

Dabei wurden die benötigten Prüfvorgaben zur Prüfungssteuerung, die Parameterübergabe zur Toleranzwertvorgabe sowie die Rückmeldung mit den Merkmalsqualifikationen mittels XML-Austausch in Verbindung mit einem Http-Service aus- und an die zentrale SAP-Datenbank übergeben. Die Benutzerschnittstelle, Visualisierung und Bewertung der Prüfungen sollte innerhalb einer kundenspezifischen NI-LabVIEW-Applikation erfolgen. Neben den hohen Anforderungen an die umfangreiche Kommunikation mit dem werksinternen PPS bestand eine weitere Anforderung darin, dass der Kunde eine ständige Überwachung des Realtime-Systems forderte, um die Aussagefähigkeit der Prüfumgebung und die Sicherung der Qualität zu gewährleisten.

 

 

Anforderungen an den Prüfstand

Bei der Konzeptionierung des Prüfstandes war darauf zu achten, dass verschiedene Movigear-Ausprägungen – Unterschiede in der Baugröße und in den mechanischen Ausführungsarten sowie in der Ansteuerungsart – gefertigt werden. Zudem sollte das Prüfsystem offen für künftige Varianten gestaltet werden.

 

Die von ProNES konzeptionierte Prüfanlage ist vorbereitet für alle unterschiedlichen Ansteuerungen und ausgelegt für die permanente Nutzung im Serienproduktionsbetrieb. Die Prüfabläufe sind für den automatischen Ablauf konzipiert, wobei die Variantenvielfalt anhand der SAP-Vorgabedatei beachtet und die Möglichkeit geschaffen wurde, alle Varianten dynamisch abzuarbeiten. Damit ein einfacher Support gewährleistet ist, ist eine Möglichkeit zur Fernwartung integriert, welche sowohl von den SEW-Mitarbeitern als auch durch ProNES genutzt werden kann. Die Bedienung der Prüfsoftware findet ausschließlich über einen Touchscreen statt.

 

 

Prüfablauf

Die erforderliche Prüfung ist im Rahmen der Fertigung durch den Kundenauftrag bestimmt. Die Auswahl der Vorgaben am EOL-Prüfstand erfolgt durch den Gerätebarcode. Dabei werden die benötigten Prüfvorgaben zur Prüfungssteuerung mittels XML-Austausch in Verbindung mit einem überlagerten Http-Service aus SAP übernommen. Die Seriennummer wird als Istwert des betreffenden Merkmals im Download-/Uploadfile gesichert. Die Daten werden lokal in einer regelmäßig zu synchronisierenden Datei vorgehalten, sodass auch eine Sicherung bei unterbrochener Netzwerkverbindung gewährleistet ist.

 

Anhand einer Plausibilitätsprüfung wird festgestellt, ob alle Voraussetzungen zur Durchführung der Endprüfung erfüllt sind und das System für die Funktionsprüfung vorbereitet ist. Erst wenn diese Vorgänge vom Werker bestätigt sind, wird der Antrieb zur Prüfung zugelassen.

 

Bei der anschließenden Drehzahlmessung werden die Antriebsdrehzahl und die Drehrichtung kontrolliert. Während der Antrieb dreht, wird die Antriebsdrehzahl visualisiert und gemessen. Sobald der Antrieb auf seine Prüfdrehzahl eingeregelt hat, wird dieser Wert festgeschrieben und visualisiert.

 

Der Umrichter erkennt durch die Inbetriebnahme die Anzahl an Getriebestufen, wobei sich die Inbetriebnahme eines Movigear im Vergleich zu einem Movidrive aufgrund der zu ladenden Firmware auf den Umrichter aufwendiger gestaltet. Aus diesem Grund gibt es ein eigenes Programm, welches den Inbetriebnahmeprozess übernimmt. Das Inbetriebnahme-Tool schließt sich automatisch nach Beendigung des Ablaufs. Ob die Inbetriebnahme erfolgreich war oder abgebrochen wurde, geht aus einer Log-Datei hervor.

 

Die Drehrichtung wird bei der Drehzahlmessung ermittelt und ebenfalls visualisiert. Wird keine stabile Drehzahl erfasst, schaltet sich der Antrieb aus Sicherheitsgründen automatisch ab.

 

Bei der kompletten Prüfung bestand die Herausforderung neben der Detaillierung der Prüfapplikationen auch darin, die vielfältigen Kommunikationsarten zum Antrieb über die durch SEW zur Verfügung gestellte MoviLink.dll-Schnittstelle abzubilden. Hardwareseitig erfolgt die Umschaltung der Kommunikation durch Aktivierung der jeweiligen Ansteuerungselektronik (SNI, SBUS, AS-i, binär), auf der Softwareseite wird dazu jeweils die DLL-Versorgung und -Integration geladen und ausgeführt.

 

Zum Entwurf des XML-Datenaustauschs wurde das EasyXML Toolkit für NI LabVIEW vom NI Alliance Partner JKI eingesetzt. Dieses zertifizierte Toolkit stellt eine Sammlung von VIs zur Verfügung, welche das Erzeugen und Lesen von XML-Daten genauso einfach ermöglicht wie die Erstellung eines Clusters in NI LabVIEW.

 

 

Verwendete NI-Komponenten

Zur Realisierung der Prüfaufgabe wurde der folgende Hardwareaufbau gewählt:

 

  • NI cRIO-9073: 8 Einschübe, integrierte 266-MHz-Echtzeit-Controller, FPGA mit 2 Mio. Gattern,
  • NI 9402: 4 Ch, 50 ns, LVTTL-Digital-Ein-/Ausgangsmodul,
  • NI 9425: 32 Ch 24 V, 7 µs, Digitaleingangsmodul (Strom ziehend),
  • NI 9476: 32 Ch, 24 V, 500 µs, Digitalausgangsmodul (Strom liefernd).

 

Das Highspeed-Digital-IO-Modul dient der Erfassung der Inkrementalgebersignale, die 32-kanaligen Digitalbaugruppen zur Anbindung der Steuerungssignale (Sensoren/Aktoren).

 

Die Software läuft auf dem Echtzeitcontroller, wofür die folgenden Softwareinstallationen benötigt werden:

 

 

Zudem wurden zur Entwicklung nachfolgende NI-Module verwendet:

 

Integrierte Watchdog-Funktion und optische Ausgabe zur Überwachung der Prüfung

Zur Sicherung der Prüfumgebung triggert die Prüfapplikation in regelmäßigen Abständen eine Watchdog-Funktion der Echtzeit-Applikation. Beim Ausbleiben dieses Triggers schaltet das Echtzeit-System die Leistungsausgänge ab. Zusätzlich ist an einem Ausgang des Digitalausgangsmoduls NI CompactRIO eine Meldeleuchte angeschlossen, welche über ein Blinksignal Auskunft über den Zustand der Echtzeit-Applikation liefert. So kann auf einen Blick festgestellt werden, ob Normalbetrieb besteht, die Echtzeit-Applikation nicht läuft, der Watchdog ausgelöst wurde oder gerade ein Reset des Watchdogs stattfindet. Mit der Bewertung des Verwendungsentscheids muss der Prüfer eine Prüfung im gesamten gut oder schlecht bewerten können. Nach erfolgreicher Prüfung wird ein Typenschild für den Antrieb ausgedruckt und aufgebracht. Zur Datenrückmeldung an SAP wird ein Upload-XML-File erzeugt, in welchem die ermittelten Prüfergebnisse des Prüfdurchlaufs rückgemeldet werden.

 

 

Zusammenfassung

Durch Nutzung des XML Toolkit des NI Alliance Partners und unter genauer Abstimmung mit der IT-Abteilung von SEW EURODRIVE konnte eine bei SEW EURODRIVE standardisierte Datenschnittstelle von NI LabVIEW zur SAP-Datenbank entwickelt werden. Die Integration in weitere Fertigungsbereiche und Produktabteilungen findet auf dieser Basis innerhalb kürzester Zeit statt. Alle für die jeweiligen Produktprüfungen benötigten Prüfvorgaben sowie die Rückmeldungen mit den ermittelten Merkmalsqualifikationen sind somit mittels XML-Austausch, in Verbindung mit einem Http-Service zur Kommunikationssteuerung, aus und an SAP übertragbar.

 

Die lokale Benutzerschnittstelle – welche den Prüfprozess visualisiert, alle benötigten Bedienereingaben anfordert, prüft und absichert – ist komplett innerhalb einer kundenspezifischen NI-LabVIEW-Applikation umgesetzt. Dies bringt die notwendigen Freiheiten in der Gestaltung, die Flexibilität für spezifische Anpassungen und die Modularität für zukünftige Änderungen mit sich. Neben den hohen Anforderungen an die umfangreiche Kommunikation mit dem werksinternen PPS ist auch die Sicherheit für Anlage und Produkt gewährleistet. Dabei sind sowohl alle industriellen Standards als auch die Anforderungen im Maschinen- und Anlagenbau eingehalten. Die permanent laufende Überwachung des eingesetzten Echtzeit-Systems sichert den Prozess, die Datensicherheit und die Einhaltung höchster Qualitätsanforderungen.

 

Durch den Einsatz von Standard-Komponenten und -Technologien innerhalb der Projektumsetzung konnten die Applikation innerhalb von zehn Wochen in der Produktion implementiert und die sehr engen Terminpläne eingehalten werden.

 

Author Information:

Dipl.-Ing. (FH) Jochen Weber
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Bild 1: Abbildung Movigear, Quelle: SEW EURODRIVE
Bild 2: Screenshot der Auftrags- und Prüflingsdaten
Bild 3: Bestücktes NI cRIO-9073
Bild 4: Schaltschrank mit erneuerter Hardware