Energiemanagement in einem Plus-Energie-Gebäude mittels NI LabVIEW

"Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Energie spielt heutzutage eine besondere Rolle. Zur Verringerung des Energieverbrauchs kann z. B. die Technologie des sogenannten „Plus-Energie-Hauses“ einen großen Beitrag leisten."

- B. Eng. Markus Fischer, Hochschule Fulda, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik

The Challenge:

Die bisher eingesetzte, konventionelle Art der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs bedarf eines grundsätzlichen Umdenkens. Die Verbrennung fossiler Rohstoffe wird durch die Endlichkeit der Ressourcen kostenintensiver und die Auswirkungen auf die Umwelt werden immer schwerwiegender.

The Solution:

In Kooperation mit zahlreichen Partnern aus Industrie und Handwerk sowie der Hochschule Fulda wurde ein multifunktionales Schulgebäude errichtet, welches den Ansprüchen eines Plus-Energie-Hauses entspricht. Die Hochschule Fulda hat hierbei die Realisierung eines Energiemanagementsystems sowie den Entwurf von Regelungsstrategien für Temperatur und CO2-Belastung übernommen.

Author(s):

B. Eng. Markus Fischer - Hochschule Fulda, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
B. Eng. Alexander-Nicolai Köhler - Hochschule Fulda, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
Prof. Dr.-Ing. Steven Lambeck - Hochschule Fulda, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2014 des Technologie- und Anwenderkongress "Virtuelle Instrumente in der Praxis" veröffentlicht.

Eingesetzte Produkte: grafische Programmierumgebung NI LabVIEW, CompactRIO, FPGA-Chassis, I/O-Module, Embedded-Controller

Die Abbildungen der Kundenlösung finden Sie in der Galerie und im Fließtext. In der Galerie können Sie die Bilder in größerer Auflösung ansehen.

 

 

Kurzfassung

Im Hinblick auf die in Zukunft notwendige, effiziente Nutzung von Energie kann das sogenannte „Plus-Energie-Haus“ einen wichtigen Beitrag leisten. In Kooperation mit zahlreichen Partnern aus Industrie und Handwerk sowie der Hochschule Fulda wurde ein multifunktionales Schulgebäude errichtet, welches den Ansprüchen eines Plus-Energie-Hauses entspricht. Die Hochschule Fulda hat hierbei die Realisierung eines Energiemanagementsystems sowie den Entwurf von Regelungsstrategien für Temperatur und CO2-Belastung übernommen. Hierfür wurde mit NI LabVIEW ein Energiemanagementsystem entwickelt, welches den Energieverbrauch optimiert und die Energieverteilung innerhalb des Gebäudes regelt. Der folgende Beitrag stellt die eingesetzten Systeme vor und erläutert das Energiemanagement des Gebäudes.

 

Einleitung

Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Energie spielt heutzutage eine besondere Rolle. Die bisher eingesetzte, konventionelle Art der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs bedarf eines grundsätzlichen Umdenkens. Die Verbrennung fossiler Rohstoffe wird durch die Endlichkeit der Ressourcen kostenintensiver und die Auswirkungen auf die Umwelt werden immer schwerwiegender. Dies sind nur einige Gründe, die einen effizienteren und ressourcenschonenden Umgang mit Energie zukünftig unumgänglich machen. Die momentan in der Bundesrepublik Deutschland anlaufende Energiewende ist eine Antwort auf die zuvor erwähnten Probleme. Dabei wird oft nur eine regenerative Energieerzeugung thematisiert. Es ist jedoch auch anzumerken, dass Energieeffizienz und Energieeinsparung wesentliche Faktoren darstellen, um den Energieverbrauch zu senken, die öffentlichen Netze der Energieversorger zu entlasten und somit die Energiewende voranzutreiben.

 

Im Bau- und Wohnungssektor birgt der Einsatz von effizienten Systemen ein großes Energieeinsparpotenzial. Zur Verringerung des Energieverbrauchs kann z. B. die Technologie des sogenannten „Plus-Energie-Hauses“ einen großen Beitrag leisten. Ein Plus-Energie-Haus erzeugt mithilfe moderner Energiegewinnungstechniken in Verbindung mit Energiespeichern im Jahresdurchschnitt mehr Energie, als es für Heizung und den gesamten Haushaltstrom verbraucht.

 

Applikation

In Kooperation mit dem Fertighaushersteller „Bien Zenker“ sowie zahlreichen weiteren Partnern aus Industrie und Handwerk ist an der Wernher-von-Braun-Schule in Neuhof (Kreis Fulda) ein neues, multifunktionales Schulgebäude entstanden, welches den Ansprüchen eines Plus-Energie-Hauses entspricht (Bild 1).

 

 

 


Dabei hat die Hochschule Fulda die Konzeption und Umsetzung eines intelligenten Energiemanagementsystems übernommen. Dies beinhaltet eine bidirektionale Konnektivität zwischen sämtlichen Aktoren und Sensoren sowie den Entwurf einer geeigneten Regelung für Temperatur und CO2-Belastung. Das in der modernen, energiesparenden Effizienzhaus-Bauweise errichtete Gebäude enthält zahlreiche Systeme, welche die für den Betrieb des Gebäudes benötigte Energie erzeugen, speichern und intelligent verteilen. (Bild 2) So erzeugt z. B. eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes Energie, welche zum Betrieb genutzt, in einem Batteriespeicher gespeichert oder ins Netz eingespeist werden kann. Die Regelung der Raumtemperatur erfolgt mithilfe einer Niedrig-Temperatur-Flächenheizung, welche unter dem Estrichboden des Gebäudes installiert ist und reine Strahlungswärme abgibt. Die Flächenheizung wandelt die elektrische Energie in Wärme um und gibt diese über die Oberfläche des Fußbodens an den zu beheizenden Raum ab. Um einen möglichst geringen Energieverbrauch zu gewährleisten, werden im gesamten Gebäude ausschließlich hocheffiziente und energiesparende Systeme wie LED-Beleuchtung eingesetzt. Ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung sorgt für eine optimale Luftqualität im Gebäude.

 

 

 

Automatisierung mittels NI-Produkten

Bild 3 zeigt die zentrale Automatisierungseinheit im Detail. Sie verbindet das Funkbussystem mit dem drahtgebundenen Bus und beinhaltet sowohl das Energiemanagement als auch die Regelung der Temperatur sowie der CO2-Konzentration im Gebäude. Die Automatisierungseinheit besteht aus mehreren Komponenten. Den Kern bildet ein Mini-PC, auf dem eine NI LabVIEW Engine läuft. Die im Gebäude installierten Sensoren und Aktoren werden mittels NI LabVIEW angesteuert bzw. ausgelesen. Als Schnittstelle kommt hierfür CompactRIO zum Einsatz, das durch ihren modularen Aufbau eine schnelle, einfache und zuverlässige Verkabelung zulässt. Mögliche Module sind I/O-Module, FPGA-Chassis und Embedded-Controller. Dies ermöglicht echtzeitfähige und leistungsstarke Stand-alone-Embedded-Lösungen für deterministische und flexible Anwendungen. In der Applikation verwendete Module sind zum einen eine RS232-Schnittstelle sowie Anschlussklemmen für analoge Temperatursensoren; außerdem kommt ein digitales I/O-Modul zum Einsatz. Das Energiemanagement und die darin enthaltenen Regelungsalgorithmen laufen innerhalb des CompactRIO. Für eine spätere Analyse des Energieverbrauchs sowie von Temperatur und CO2-Konzentration werden alle anfallenden Messdaten in einer Datenbank auf dem Mini-PC gespeichert, diese können jederzeit abgerufen und weiter verwendet werden.

 

 

Energiemanagement

Das Energiemanagementsystem regelt den Energiebedarf des Gebäudes so, dass möglichst wenig Energie aus dem Netz des Energieversorgers bezogen wird. Um dies zu gewährleisten, baut das System auf drei fundamentalen Säulen auf. Zunächst ist es sinnvoll, den Energieverbrauch des Gebäudes so weit wie möglich zu senken. Neben einer modernen, energiesparenden Effizienzhaus-Bauweise des Gebäudes, die eine optimale Wärmedämmung gewährleistet, trägt auch die hohe Energieeffizienz der eingebauten Technologien einen großen Anteil zur Energieeinsparung bei. Des Weiteren schaltet das Energiemanagement nur die nötigsten Verbraucher passend zur Situation ein oder aus. Hierfür werden Sensoren, wie Präsenzmelder oder Türkontakte, verwendet. Eine weitere Säule ist die Speicherung von selbst erzeugter elektrischer Energie. Die zuvor schon erwähnte Photovoltaik-Anlage erzeugt nur dann Energie, wenn Sonnenenergie zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, muss Energie aus dem Netz bezogen werden. Um dies zu minimieren, ist im Gebäude ein Batteriesystem verbaut, welches überschüssige Energie speichert, anstatt sie ins Netz einzuspeisen, und diese dann wieder zur Verfügung stellt, wenn die Energie der Photovoltaikanlage nicht ausreicht. Die dritte Säule ist die optimierte Nutzung überschüssiger Energie. Die Idee ist ebenso simpel wie effektiv. Überschüssige Energie soll vorausschauend dort eingesetzt werden, wo sie in absehbarer Zeit sowieso benötigt wird. Da der eingebaute Batteriespeicher über eine bestimmte Kapazität verfügt, kann nur eine bestimmte Menge an Energie gespeichert werden. In den Frühlings-, Sommer- und Herbstmonaten reicht diese Speichermenge nahezu aus, nur bei lange anhaltendem schlechten Wetter muss Energie aus dem Netz bezogen werden. In den Wintermonaten reicht der Speicher allerdings meist nicht aus, da die Heizung eine große Menge an Energie benötigt. Genau dann kommt die Nutzungsoptimierung zum Einsatz, denn auch im Winter gibt es hin und wieder sonnige Tage, an denen die Photovoltaikanlage genügend Energie liefert. Überschüssige Energie, die an diesen Tagen normalerweise ins Netz eingespeist wird, soll effektiv im Gebäude eingesetzt werden, um dadurch präventiv den Energieverbrauch zu einem späteren Zeitpunkt zu senken. Hierzu wird mithilfe der Infrarotheizung die Temperatur im Estrichboden angehoben, um so die Energie in Form von Wärme im Boden zu speichern. Die gespeicherte Wärme wird dann an den Raum abgegeben und heizt somit das Klassenzimmer. Dies führt dazu, dass für einen gewissen Zeitraum keine zusätzlich Energie zum Heizen des Gebäudes aus dem Netz des Energieversorgers bezogen werden muss, und senkt somit den Energiebezug.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Das multifunktionale Klassenzimmer soll als Anschauungsobjekt unter Beweis stellen, wie unter anderem eine wirkungsvolle Wärmedämmung für gutes Raumklima sorgt und wie ein effizientes Energiemanagement mit intelligenten Regelungen zu einem umweltfreundlichen und energieeffizienten Betrieb des Gebäudes führen kann. Das Gebäude soll sich im Schulalltag bewähren und nicht nur die geforderten klimatischen Bedingungen erfüllen, sondern auch in Sachen Energieeffizienz Maßstäbe setzen. In der Entwicklungsphase des Energiemanagementsystems kamen diverse Produkte von National Instruments zum Einsatz, die sehr hilfreich waren. Als Software wurde LabVIEW eingesetzt, das durch seine Toolboxen ein großes Spektrum an benötigten Anforderungen abdeckt. Auch die NI-Hardware, wie z. B. CompactRIO, wurde im Projekt erfolgreich eingesetzt. Durch den modular erweiterbaren Aufbau können gezielt benötigte Schnittstellen verwendet werden, die durch eine direkte Kopplung zu LabVIEW schnell und unkompliziert angesprochen werden können.

 

Author Information:

B. Eng. Markus Fischer
Hochschule Fulda, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
Marquardstraße 35
Fulda 36039
Germany
Tel: +49 661 9640 5751
Fax: +49 661 9640 559
markus.fischer@et.hs-fulda.de

Bild 1: Frontansicht des Gebäudes
Bild 2: Komponentenübersicht
Bild 3: Aufbau der Automatisierungseinheit