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Automatisierung von Systemprüfständen für Flugzeugfahrwerke auf der Basis von VeriStand

M. Eng. Keil, IABG mbH

"Die Leistungsfähigkeit der Kombination aus NI-PXI-System und VeriStand als echtzeitfähiger Automatisierungslösung reicht aus, um diverse Sollgrößengeneratoren, Regler und Simulationsmodelle zu betreiben. Die Anbindung der LabVIEW-basierten Benutzerschnittstelle an VeriStand funktionierte problemlos. So konnten auch aufwändigere Funktionen wie etwa eine Konfigurationsverwaltung realisiert werden."

- M. Eng. Keil, IABG mbH

Die Aufgabe:

Ein Hersteller von Flugzeugfahrwerken will seine Produkte mit Hilfe eines speziellen Systemprüfstands entwickeln, funktional testen und validieren.

Die Lösung:

Die Steuerung der Gesamtanlage, die Regelung der Aktuatorik sowie die Messdatenerfassung erfolgt mittels eines NI-PXI-Systems. Zur Automatisierung der Anlage wurde ein Ansatz entwickelt, der die jeweiligen Vorteile von VeriStand und LabVIEW kombiniert.

Autor(en):

M. Eng. Keil - IABG mbH
M. Sc. Michael Karl - IABG mbH
Dr.-Ing. Thomas Anderl - IABG mbH

 

Kurzfassung

Für dynamische Tests von Flugzeugfahrwerken wurde von der IABG ein auf den Bedarf des Kunden zugeschnittener Systemprüfstand entwickelt. Die Steuerung der Gesamtanlage, die Regelung der Aktuatorik sowie die Messdatenerfassung erfolgt mittels eines NI-PXI-Systems. Zur Automatisierung der Anlage wurde ein Ansatz entwickelt, der die jeweiligen Vorteile von VeriStand und LabVIEW kombiniert. Die Plattform VeriStand unterstützt dabei den zuverlässigen Echtzeitbetrieb, die zügige Inbetriebnahme und das einfache Einbinden von Flugzeugmodellen. Der Einsatz des VeriStand-Toolkits Inertia der Firma Wineman ermöglicht es dem Prüfstandsbediener, komfortabel eigene Echtzeitsignalverläufe zu definieren. Mittels LabVIEW wurde ein GUI geschaffen, welches den Benutzer durch den Konfigurations- und Testprozess führt und unterstützt. Des Weiteren wird mit Hilfe der LabVIEW-Applikation die Prüfstandskonfiguration verwaltet. Für die Auswertung und Darstellung von Messungen wird DIAdem verwendet.

 

Systemprüfstand für Flugzeugfahrwerke

Ein Hersteller von Flugzeugfahrwerken will seine Produkte mit Hilfe eines speziellen Systemprüfstands entwickeln, funktional testen und validieren. Hierzu sollen u. a. verschiedene Lastfälle und Anwendungsszenarien aus Start- und Landevorgängen sowie aus dem Taxiing auf Rollbahnen abgebildet werden. Währenddessen sollen realitätsnahe Vertikal-, Längs- und Querbelastungen auf den Prüfling wirken. Neben einer Fahrbahn muss hierzu auch das Flugzeug in seinen Aerodynamik-, Masse- und Vertikaldynamiken, Antriebs- und Bremseigenschaften in Echtzeit simuliert werden, damit diese von Versuchsingenieuren oder übergeordneten Simulationen getestet werden können.

 

Automatisierungsplattform mit VeriStand und LabVIEW auf einem NI-PXI-System

In einer systematischen Evaluierung wurden verschiedene Kombinationen und Lösungsmöglicheiten zur anforderungsgerechten Realisierung diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde auch mit NI-Spezialisten und NI-Partnern zusammengearbeitet, um Vor- und Nachteile der Varianten zu bewerten. Der am besten geeignete Ansatz für die Erfüllung der Anforderungen besteht im Wesentlichen aus einem leistungsfähigen NI-PXI-System, der Echtzeitplattform VeriStand und LabVIEW für die Funktionsentwicklung und die Erstellung von Benutzeroberflächen (Bild 2).

 

Ein wesentlicher Vorzug der Verbindung eines NI-PXI-Systems mit VeriStand ist die vielschichtige Leistungsfähigkeit des Frameworks. Dazu zählen zum einen die Robustheit der Plattform und die Vereinfachung gegenüber LabVIEW auf der Echtzeitebene. Es muss zum Beispiel nicht darauf geachtet werden, die richtigen Schleifentypen (Timed Loops etc.) und Datenaustauschwege (Shared Variable with RT FIFO etc.) zu verwenden. In Tests konnte die besagte Robustheit bestätigt werden. Die Systemvariablen in VeriStand ermöglichen eine Überwachung der Echtzeitausführung. Zusammen mit dem Alarming kann so ein hoher Grad an Sicherheit bezüglich der Echtzeitfähigkeit und Zuverlässigkeit erreicht werden.

 

Die Leistungsfähigkeit drückt sich zum anderen auch in den eingebetteten Funktionen und den Schnittstellen aus. Über das Modellinterface können eigene Simulationsmodelle und Funktionen eingebunden werden. Funktionen, die einen tiefergehenden Systemzugriff benötigen, werden als Custom Device eingebunden. In dieser Anwendung wurde beispielsweise ein Custom Device für die Post-Mortem-Analyse entwickelt. Dabei werden kontinuierlich die wichtigsten Daten auf dem Echtzeitsystem aufgezeichnet. Im Fall eines schwerwiegenden Fehlers stehen durch eine Art Ringpuffer immer Aufzeichnungen von mindestens 30 Sekunden vor und nach dem Ereignis zur Ursachenanalyse zur Verfügung.Zuletzt macht es die .NET-basierte Schnittstelle möglich, mittels LabVIEW sehr einfach, eine funktionale, nach Kundenwunsch erstellte Benutzeroberfläche an VeriStand anzubinden.

 

Das VeriStand-Add-on Inertia der Firma Wineman wurde in die Automatisierung des Prüfsystems eingebunden. Der enthaltene Test-Editor ermöglicht es dem Kunden, per Drag-and-Drop Funktionsbausteine (Rampe, Sinus, Realdaten etc.) in beliebiger Reihenfolge aneinanderzuketten. Die konfigurierten Tests können gespeichert und wieder geladen werden. Damit werden dem Kunden die Nachverfolgbarkeit und das Wiederverwenden von Testkonfigurationen ermöglicht. Über das umfangreiche Datenverarbeitungstool DIAdem lassen sich komplexe Auswertungen der Messdaten skriptbasiert analysieren und darstellen.

 

 

Typische Beispiele für Testkonfigurationen, die durch die Automatisierung koordiniert werden, sind:

  • Main Landing Gear (MLG) oder Nose Landing Gear (NLG)
  • Start- oder Landevorgänge
  • Taxiing und spezielle Fahrmanöver
  • Störgrößenaufschaltungen in quasi-stationären Betriebszuständen
  • Test mit Fokus auf quasi-stationäre und dynamische Belastungen und Verformungen des Prüflings
  • Test mit Fokus auf Reifenfunktionalitäten

 

Ansteuerung und Regelung der Hydraulikaktoren

Insgesamt werden vier hydraulische Linearachsen (Bild 1, Punkte 1 und 4; Bild 5, links) gesteuert, geregelt und sicher im Sinn der Personen- und Anlagensicherheit betrieben. Dabei muss gewährleistet sein, dass Hoch- und Abschaltprozeduren sowie Grenzwerte zu jeder Zeit zuverlässig eingehalten werden. Ein separates Hydraulikaggregat stellt die Energieversorgung für die Hydraulikaktoren sicher. Es muss dediziert angesteuert und der Versorgungsdruck überwacht werden.

 

Jeder Aktor ist mit einem hydraulischen Anschlussblock versehen. Dieser ermöglicht es, sowohl die Energiezufuhr zu stoppen (Abschaltventil) als auch den Aktor kraftfrei zu schalten (Kurzschlussventil). Diese Funktionen sind sicherheitsrelevant und unterliegen damit der Risikobeurteilung. Die funktionale Sicherheit wird mit einer externen programmierbaren Sicherheitslogik dargestellt. Das NI-Echtzeitsystem gibt dieser die Anforderung zur Freigabe von Kurzschluss- und Abschaltventil vor und je nach Betriebszustand werden diese freigegeben.

 

Die dafür notwendigen Prozeduren aus Anforderung von Aktionen und Abwarten von Rückmeldungen werden mittels VeriStand-Real-Time-Sequenzen umgesetzt. Da es keine native Möglichkeit gibt, diese aus VeriStand direkt aufzurufen, werden sie von der LabVIEW-Anwendung aufgerufen. Dieses Verfahren ermöglicht eine hohe Flexibilität bei der Entwicklung und der Inbetriebnahme, ist dadurch jedoch auch anfällig für eventuelle Manipulationen durch den Kunden. In Zukunft wird daher eine Lösung auf der Basis von Modellen anstatt von Sequenzen angestrebt. So sind auch – wie aus der Anlagensteuerung bekannt – Zustandsautomaten darstellbar und damit ein in sich geschlossenes, nicht beeinflussbares System.

 

Automatisierung des Rollenantriebs

Eine Rolle mit vier Metern Durchmesser (Bild 1, Punkt 3) wird von einem leistungsstarken Antrieb mit bis zu 1,25 Megawatt (Bild 1, Punkt 5) beschleunigt und abgebremst. Auf der Außenbahn können Geschwindigkeiten bis 400 km/h dargestellt und damit die Roll- bzw. Start-/Landebahn simuliert werden.

 

Der Umrichter, der den Antrieb versorgt, ist mittels EtherCAT an das NI-PXI-System angekoppelt. Für VeriStand bietet NI das Scan Engine Custom Device, welches die Einbindung von Fremdgeräten via EtherCAT möglich macht. Um unseren Anforderungen gerecht zu werden, musste es noch weiterentwickelt werden. Zusammen mit einem Spezialisten von National Instruments wurden diverse Verbesserungen hinsichtlich möglicher Buskonfigurationen eingebracht. Die Regelung der Geschwindigkeit erfolgt im Umrichter. Die Sollwerte können direkt vom Benutzer oder über den Inertia-Test-Editor vorgegeben werden. Darüber hinaus ist es möglich, ein Simulationsmodell als Quelle zu verwenden.

 

Integration der Flugzeug- und Fahrbahnsimulation

Zur realitätsnahen Simulation der Flugzeugdynamiken ist ein Hardware-in-the-Loop- Modell (HiL-Modell) entwickelt worden (Bild 4). Über parametrierbare Krafteinleitungspunkte des Massenschwerpunktes sowie des simulierten Schwingverhaltens des fehlenden Fahrwerks werden die Sollwerte für den Flugzeug-Last-Aktuator (Bild 1, Punkt 1) sowie für die Rollengeschwindigkeit berechnet und der Prüfling mit der vom Flugzeug wirkenden Dynamik beaufschlagt [2]. Die Dynamiken sind dabei vom aktuellen Flugzustand und der Fahrwerkkonfiguration abhängig. Zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit der Testergebnisse kann das HiL-Modell in der Komplexität über die berücksichtigten Parameter und Freiheitsgrade skaliert werden. So wird die Vertikaldynamik für erste Tests bis auf ein Feder-Masse-Dämpfer-System reduziert. Abhängig von den gewählten Startbedingungen und geschwindigkeitsabhängigen Kraftkennfeldern können somit komplette Start- und Landeszenarien abgebildet werden. Zur Reproduzierbarkeit einzelner Simulationen können aufgezeichnete Tests über den Inertia-Test-Editor im Playback-Modus erneut real abgefahren werden.

 

Mittels vertikaler Achsen (Bild 1, Punkt 4) kann die Rolle in ihrer Höhenlage verändert werden. Es sind verschiedene Modi der Simulation der Fahrbahnunebenheiten möglich: manuelle Zusammenstellung und Vorgabe von Sollwerten, Wiedergabe aufgezeichneter Fahrbahndaten und Sinuswellen <2 Hz (Zeit- oder Geschwindigkeitsbasis). Anregungen über 2 Hz werden über die Anbringung von Schlagleisten auf der Rolle realisiert.

 

Für die Darstellung von Querbelastungen kann ein zusätzlicher Hydraulikzylinder seitlich mit dem Fahrwerk verbunden werden (Bild 5, links). Dieser ist mit einer lösbaren Kupplung ausgestattet. Um das Schwingen des Fahrwerks um die Hochachse „Shimmy“ (Bild 5, Mitte) zu stimulieren, kann der Zylinder ausgelenkt und über eine Kupplung schlagartig freigegeben werden. Im Test-Editor kann der Kunde den Freigabezeitpunkt beliebig setzen und an Bedingungen wie definierte Seitenkraft oder Auslenkweg knüpfen. Auch das erwähnte Anbringen von Schlagleisten über den Rollendurchmesser kann Störungen einbringen. Dadurch können vertikale Anregungen bis über 50 Hz erzeugt werden. Bei entsprechender Stimulation können somit auftretende Gear-Walk-Effekte am Fahrwerk untersucht werden (Bild 5, rechts).

 

 

Kundenspezifisches GUI des Prüfstands

Die Anforderungen an die Graphical-User-Interface-Funktionalitäten (GUI-Funktionalitäten) übersteigen die Möglichkeiten des VeriStand-Workspace- bzw. User-Interface-Managers. Eingabefelder und Buttons müssen beispielsweise modusabhängig aktiviert bzw. deaktiviert oder Funktionen in separate Dialoge ausgelagert werden. Das GUI wurde daher geteilt: Der VeriStand Workspace wird genutzt als vom Benutzer frei anpassbare Anzeige sowie für die Inbetriebnahme (Bild 6). Das LabVIEW-GUI führt den Benutzer durch die Bedienung des Prüfstands. Die Testkonfiguration besteht aus An-/Abwahl von Aktoren, Moduswahl (manuelle Sollwertvorgabe oder Automatik/Modell), Messkonfiguration und gegebenenfalls Inertia-Test-Editor. Ein so konfigurierter Test kann – bestehend aus Recorder-Einstellungen, Alarmkonfigurationen, Simulationsmodellparametern und Kalibrierungen – im GUI geladen, verändert und gespeichert werden.

 

 

Zusammenfassung

Die erfolgreiche Umsetzung aller Anforderungen wurde gut durch die Funktionalitäten von VeriStand und Wineman Inertia unterstützt. Die Leistungsfähigkeit der Kombination aus NI-PXI-System und VeriStand als echtzeitfähiger Automatisierungslösung reicht aus, um diverse Sollgrößengeneratoren, Regler und Simulationsmodelle zu betreiben. Die Anbindung der LabVIEW-basierten Benutzerschnittstelle an VeriStand funktionierte problemlos. So konnten auch aufwändigere Funktionen wie etwa eine Konfigurationsverwaltung realisiert werden. Die Entwicklung und auch die Inbetriebnahme vor Ort profitierten ebenfalls von diesem Ansatz. Dabei helfen die schnellen und einfachen Anpassungsmöglichkeiten des VeriStand Workspace. Mittels Channel Faulting ist es möglich, ohne Modelle oder Prozeduren anfassen zu müssen, rasch I/O-Checks durchzuführen und Funktionen und Alarme zu testen. Dies führt zu einer erheblichen Zeitersparnis in den entsprechenden Projektphasen.

 

Aufgrund der vielen Vorteile wird dieser Automatisierungsansatz von der IABG als modulare Plattform für System- und HiL-Prüfstände und Anlagen eingesetzt.

 

Informationen zum Autor:

M. Eng. Keil
IABG mbH
Einsteinstraße 20
Ottobrunn 85521
Germany
Tel: +49 (0)89 6088-2946
Fax: +49 (0)89 6088-2673
KeilA@iabg.de

Bild 1: Prüfstand für die Entwicklung von Flugzeugfahrwerksystemen
Bild 2: Automatisierungsplattform der IABG
Bild 4: 2D-HiL-Modell für die Längs- und Vertikaldynamik, hier exemplarisch in der Konfiguration für MLG-Tests
Bild 5: Störkraft-Anregungs-Einrichtung des Prüfstands (links), Shimmy und Gear-Walk-Effekt (rechts)
Bild 3: Systemarchitektur des Prüfstands
Bild 6: Graphical User Interface